Lektüre(n)treffen: Critical Diversity Literacy
An diesem Termin war Carmen Mörsch zu Gast, um die Arbeitsmaterialien zu Critical Diversity Literacy (CDL) vorzustellen, welche sie im Rahmen eines von der Mercator Stiftung geförderten Fellowship an der Alice Salomon Hochschule 2017 entwickelt hat. Diese wollten wir erproben und in Arbeitsgruppen nach Transfermöglichkeiten in die jeweiligen künstlerisch-edukativen Vorhaben suchen. Carmen Mörsch beschreibt Critical Diversity Literacy als „eine konzeptuelle Rahmung für die Lehre und Forschung für den Aufbau von diskriminierungskritischem Wissen“, die „2007 von der südafrikanischen Kommunikationswissenschaftlerin Melissa Steyn veröffentlicht [wurde].“ Steyn beziehe sich auf das Konzept „Racial Literacy“ der US-amerikanischen Ethnografin und Dokumentarfilmerin France Winddance Twine und erweitere dieses um Kategorien struktureller Unterdrückung und Ungleichheit wie Geschlecht, Sexualität, Behinderung, Klasse.
Vorbereitend auf das Treffen lasen wir den Einführungstext und Übungen aus dem Kartenset Haltungen | Perspektiven, um uns für eine der Aufgaben zu entschieden, mit der wir uns in den Arbeitsgruppen vertieft auseinandersetzen wollten. Die Lektüre machte deutlich, dass die entstandenen Materialien eine Sammlung und Bündelung bereits bestehender Praxishilfen aus der diskriminierungskritischen Bildungsarbeit sind, welche durch Mörsch und weitere Akteur*innen in Gesprächen und Workshops wie diesem kollaborativ weiter entwickelt worden sind. So wird u.a. auf die Website „Mangoes and Bullets“ vom Projekt glokal, auf die von Marty Huber für IG Kultur entwickelte Toolbox „Verletzende Sprache angehen“ oder auf das Zine „Willst Du mit mir gehen - Gender_Sexualitäten_Begehren in der machtkritischen und entwicklungspolitischen Bildungsarbeit“ von QUIX – Kollektiv für kritische Bildungsarbeit verwiesen.
Die Arbeit mit den Materialien wurde von den Anwesenden als Bereicherung beschrieben, und es wurde ein großer Bedarf nach solchen diskriminierungskritischen Praxishilfen für die jeweilige künstlerische und pädagogische Arbeit geäußert. In der Schlussrunde wurde u.a. überlegt, ob sich die Auseinandersetzungen innerhalb der Fortbildungsgruppe – beispielsweise zu Critical Whiteness – weniger auf einer Metaebene abgespielt hätten, wenn wir die Materialien schon zu Beginn der Zusammenarbeit gehabt und uns mit konkreten Beispielen hätten beschäftigen können. Möglicherweise wäre uns früher bewusst geworden, worauf Carmen Mörsch hinwies: dass bei der Beschäftigung mit Diskriminierungskritik immer das Risiko besteht, dass sich die Gewaltverhältnisse paradoxerweise wiederholen. Es stellt sich die Frage, wie eine Zusammenarbeit in einer so wenig homogenen Gruppe wie der KontextSchule zwischen „Fehlerfreundlichkeit“ (Mecheril, 2004:127) und der Notwendigkeit getrennter Räumen für unterschiedliche Lernprozesse organisiert werden kann.
Gast: Carmen Mörsch
Termin: Mittwoch, den 27. September 2017, 14:30 - 18:30 Uhr